Die erste "Gynoide" oder Sexpuppe der
Welt entstand 1941 am Deutschen Hygiene-Institut Dresden unter Leitung des berühmten
Kunststofftechnikers und Präparators Franz Tschakert - Der Vater der Gläsernen
Frau, der 1930 auf der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung mit seiner
Kreation großes Aufsehen erregte, stellte sein Wissen und fachliches Können
ab 1941 auch in den Dienst der SS.
Das "feldhygienische Projekt " ging auf eine Initiative von Reichführer
SS Heinrich Himmler zurück, der in der Puppe ein Instrument zur
"Triebregulierung des Landsers" sah. In einem Schreiben vom 20.11.1940
erwähnt der Reichsführer die "unnötigen Ausfälle" , die das
deutsche Heer durch die Prostitution in Frankreich erlitten hatte:
"Die größte Gefahr in Paris bilden die wilden Dirnen, die ihr dunkles
Gewerbe auf der Straße und in den Cafés, Restaurants, Bars und Vergnügungsstellen
ausüben. Es ist unsere Aufgabe den Soldaten die Triebabfuhr zu
erleichtern."
Das Projekt zunächst "Burghild" genannt trug den Stempel des
RSDs"Geheime Reichssache" und unterstand dem Obersten Hygieniker
Dr. Joachim Mrurgowsky persönlich. Alle Mitarbeiter - auch Tschakert - waren zu
strengster Geheimhaltung verpflichtet.
Ab Juli 1941, zeitgleich mit dem Überfall auf die Sowjetunion, übernahm
ein dänischer SS-Arzt Dr. Olen Hannussen . Er veränderte wahrscheinlich
ungewollt und umgangssprachlich den Namen des Projekts : Borghild ist das
dänische Wort für Burghild.
Hannussen trieb die Entwicklung energisch voran.
Die "galvanoplastischen Puppen" - in einer "Bronzeform"
gefertigt - sollten den Sturmtruppen in "fahrbaren desinfizierbaren
Kabinen" nach Russland folgen, und die Soldaten vom Besuch von
"Infektionsherden" - also Frontbordellen und "wilden
Dirnen" - abbringen. Soweit Himmlers Theorie.
Ein mit Hannussen befreundeter Psychologe Dr. Rudolf Chargeheimer brachte
den Schwierigkeitsgrad der an Tschakert gestellten Aufgabe allerdings in einem
Schreiben an Himmler deutlich zum Ausdruck:
"Keine Frage, Ziel und Zweck der Puppe ist die Triebregulierung des
Landsers. Unsere Soldaten sollen kämpfen und sich eben nicht herum treiben oder
volksfremde Weibspersonen aufsuchen.
Aber kein richtiger Mann wird eine Puppe einer echten Frau vorziehen, wenn
nicht folgende Kriterien gewährleistet sind:
1. das synthetische Fleisch sollte von echtem Fleisch nicht zu unterscheiden
sein,
2. die Beweglichkeit der Puppenglieder sollte dem Bewegungsradius echter Gliedmaßen
entsprechen
3. das "Organ" der Puppe sollte absolut gefühlssecht
sein."
Rekonstruktionsversuch an einer Schaufensterpuppe (Quelle: Female Runner - Made By Mondo )
Von Juni 1940 März 1941 wurden deshalb
speziell im Auftrag des Hygiene-Instituts "hautfreundliche Polymere"
von der IG Farben entwickelt. Zwei Eigenschaften waren dabei besonders wichtig:
Reißfestigkeit und Elastizität.
Die Suche nach einem geeigneten Modell verlief zunächst schleppend.
Die Borghild-Puppe sollte dem Schönheitsideal der damaligen Zeit entsprechen,
d. h. weiße Haut, hellblonde Haare und blaue Augen. Obwohl es auch Nachfragen
nach einer dunkelhaarigen Variante gegeben hätte, bestand das
SS-Hygiene-Institut auf der Herstellung einer "nordischen Puppe".
Tschakkert hatte vorgeschlagen nach einem Gipsabdruck vom lebenden Modell zu
arbeiten.
und es wurden eine Reihe Sportlerinnen gecastet, darunter auch Wilhelmia von
Bremen und
Annette Walter.
Dabei erkannte man schnell die Grenzen des Verfahrens.
Tschakert in einem Brief an Mrurgowsky : "Entweder sind die Beine zu
kurz, und wirken wie aufgestampft, oder die Dame hat ein Hohlkreuz und Ringkämpferarme.
Das Gesamtbild ist immer enttäuschend und ich fürchte wir werden
kombinieren müssen."
Während Mrurgowsky angeblich einen Ganzkörper-Abdruck der
Schauspielerim Kristina Söderbaum favorisierte, entschied sich der
Borghild-Designer für eine "modulare Zusammensetzung" der Gußform.
Die Puppe sollte laut Tschakert eine "weibliche Bestform "
werden, ein "perfektes Automaton der Lust", das sämtliche
weibliche Vorzüge vereinte.
Beim Gesicht verständigte man sich zunächst auf ein spitzbübisches Gesicht
vom "Schlage einer Käthe von Nagy". Von Nägy, eine damals sehr populäre
Diva des III. Reiches weigerte sich aber, trotz Himmlers Bitten, ihr Gesicht
einer Puppe "zu leihen".
Nachdem Ausscheiden von Mrurgowsky, verwarf der neue Leiter Dr. Hannussens
die Idee ein bereits bestehendes Gesicht zu übernehmen. Er glaubte an das
"artifizielle Gesicht der Lust", von dem er sich eine "stärkere
Wirkung" auf den Landser versprach.
Hannussen führte ein Logbuch, das noch teilweise erhalten ist. Am 15.3. 1941
notierte er:
" Die Puppen dienen nur einem Zweck und sollen dem Landser keinen Ersatz
für das geliebte Weib sein... Wenn der Landser zur Borghild geht, dann hat das
nichts mit Liebe zu tun. Das Anlitz dieser anthromomorphischen
Lustmaschine sollte daher dem Weiningerschen Typus der Prostituierten
entsprechen."
Arthur Rink, geb. 1919, ein Meisterschüler des Bildhauers Arno Breker , ist
heute der einzige noch lebende Zeitzeuge des geheimen Projekts.
Er arbeitete nach einem kurzen Praktikum bei dem "Puppenwerk Käthe
Kruse" ab 1937 in den Werkstätten des Deutschen Hygiene-Museums und wurde
dort 1940 der kleine Projekt- Gruppe Borghild von Tschakert zugeteilt : Es
gab einen Modellierer (Rink), einen Lackierer, einen Kunststofftechniker (Tschakert
), eine Friseuse, einen Dreher und zu anfangs einen Mechaniker der Würtembergschen
Metallfabrik aus Friedrichshafen. Ein " einfaches
Alu-Gerippe zum Ausbalancieren des Gewichts" war geplant. Tschakert
entschied sich aber schon früh für ein "Elastolin-Skelett" . Der
synthetische Fleischersatz war ein anderes Problem.
Rink: Über den Werkstoff war man sich lange Zeit unschlüssig. Herr
Tschakert, der von Hause aus Kunststofftechniker war, hatte verschiedene
Materialien auf Kautschukbasis ausprobiert. Aber auch Butylgummi. Das meisten
wurde uns von der IG Farben oder von der Rheinischen Gummi und Celluloid Fabrik
geliefert. Es gab einen Stoff namens Ipolex, der sehr dehnbar und reißfest war,
aber bei Berührung mit "Reinigern" gab es gelbliche Flecken .
Noch war es allerdings nicht so weit, denn die "weibliche
Bestform" mußte noch entstehen. Die Modellierer arbeiteten mit Gips aber
auch einem Mischmisch aus "Schwarzmehl und Kleister".
Nach Hannussens Vorstellungen entstanden 1941 etwa zehn "typische
Dirnen-Visagen" (Rink), die Dr. Chargeheimer für seine
psychologischen Tests zu Verfügung gestellt wurden.
Rekonstruktionsversuch des Kopfes an einer Schaufensterpuppe
Chargeheimer und Hannussen waren sich einig, daß
der Erfolg der Borghild im wesentlichen
von ihrem Gesicht abhängen würde. Entgegen der landesüblichen Meinung, daß
die männliche Erregung vom Anblick der sekundären oder primären weiblichen
Geschlechtsmerkmale ausgelöst würde, vertraten sie die Auffassung, daß gerade
das Gesicht
während der Kopulation "eine entscheidende Rolle" spiele.
Nach Rinks Gipsstudien wurden zunächst in einer Schaufensterpuppenfabrik bei Königsberg
"aus dünnen Kunststoffröhren nach der Pressblass-Methode unter
Wasserdampfeinwirkung" sehr einfache Köpfe hergestellt. Lackiert und
frisiert wurden diese Perückenhaltern sehr ähnlichen Unikate unter
Hannussens Leitung.
Zweck dieser kostspieligen Übung war es, den tatsächlichen Geschmack des
Landsers zu ermitteln, da - wie Dr.Chargeheimer in einem Schreiben an Dr.
Hannussen bemerkte - "die
in der SS vorherrschenden Vorstellung von weiblicher Schönheit nicht unbedingt
von der breiten Masse geteilt werden" müsse. Gerade "dem Viulgären müßten
Chancen eingeräumt werden." Geplant war auch, daß "der Mund eine Öffnung
haben sollte, Zähne, Zunge inklusive".
Über die Resultate dieser von Dr. Chargeheimer im Soldatenheim St. Helier
durchgeführten Befragungen, gibt es keine Unterlagen mehr.
Am Hygiene-Museum entstand zu diesem Zeitpunkt bereits das erste, aus Abgüssen
zusammengesetzte Modell, die Rohform.
Arthur Rink legte über den weiteren Hergang folgende eidesstattliche Erklärung
ab.
"Drei Puppen-Typen von unterschiedlicher Größe waren geplant : Typ A
:168, Typ B : 176, Typ C : 182 cm.
Es sollte aber vorwerst nur eine Bronzeform ( Typ B) hergestellt werden.
Es gab Uneinigkeiten über die Brüste der Borghild. Die SS wollte sie
voll und rund, Doktor Hannussen bestand auf einer 'griffigen Hagebuttenform'
und setzte sich damit durch.
Die erste Borghild- Puppe, eine Spritzpressung, wurde im September 1941
fertig.
Sie entsprach genau dem ' nordischen Typus' .
Unsere Friseuse hatte eigentlich eine Schneckenfrisur vorgesehen, aber Dr.
Hannussen war dagegen. Er meinte der Kurzhaarschnitt solle
unterstreichen, daß die Borghild Bestandteil der kämpfenden Truppe war -
eine Feldhure und keine ehrbare Mutter.
Borghilds Präsentation in Berlin war ein Erfolg. Es war auch der Reichsführer
SS Heinrich Himmler zugegen. Und Dr. Chargeheimer.
Während der Examinierung der künstlichen Öffnungen durch die anwesenden
Herren war Franz Tschakert sehr nervös.
Himmler wollte aber gleich 50 Stück in Auftrag geben, so begeistert war er.
Es war die Rede davon eine spezielle Produktionsstätte einzurichten, da
die Räumlichkeiten in den Werkstätten des Hygiene-Museums für ein derartiges
Vorhaben als unzureichend empfunden wurden.
Angesichts der Entwicklungen an der Ostfront wurde aber schon eine Woche später
der Etat gekürzt und das Borghild-Projekt Anfang 1942, kurz nach Stalingrad auf
Eis gelegt. Alle Konstruktions-Dokumente wurden eingesammelt und zum
SS-Hygiene-Institut zurück geschickt.
Die Bronzeform zur seriellen Herstellung der Puppe wurde nie gebaut.
Über den Verbleib der Puppe ist mir nichts bekannt. Ich nehme an, daß sie -
wie alle anderen Gipsabrücke und Studien - nach Berlin überführt wurde.
Sollte man sie allerdings im Museum aufbewahrt haben, ist es wahrscheinlich, daß
sie durch den Bombenangriff der Alliierten im Februar 1945 zerstört
wurde."
Tatsächlich verwüstete der Feuerbrand vom 13. Februar 1945 auch das
Deutsche Hygiene-Museum Dresden. Zwei Modelle der Gläsernen Frau, Tschakerts
Meisterwerke, wurden dabei zerstört.
Phototexte:
Von Arthur Rink stammen auch die wahrscheinlich einzigen Photos der
Borghild-Puppe.
"Bei den Kontaktabzügen handelt es sich um a.)
Gesichtsstudie Nr. 2 Dominant und b.)Ganzkörper Ansicht, seitlich. Beide Photos
habe ich im Papierkorb des Museumlabors gefunden. Andere Aufnahmen habe ich
leider nicht, da das Fotografieren vor Ort verboten war."
Die "Ganzkörper-Ansicht, seitlich" präsentiert die
Borghild-Puppe in der 1941 am SS-Hygiene-Institut Berlin präsentierten Form.
Unverkennbar ist der Einfluß von Rinks Lehrer Arno Breker, der die Steigerung
der menschlichen Vorstellung im Körperlichen und im Ausdruck propagierte. Der Körper
der
Puppe ist ästhetisch raffineriert und von allem Überflüssigen befreit.
Der Torso sollte nach Rinks Angaben " haarlos" bleiben, wahrscheinlich
aus einemErwägen der hygienischen Risiken, die ein Feldeinsatz mit sich
gebracht hätte.